CD-Tipp

STILL AWAKE – Our Sin


Lauschangriff – KW 02/23

STILL AWAKE – Our Sin

(Eigenproduktion, VÖ 10.12.2022)

Den Stammzuhörern meiner Sendung dürfte nicht entgangen sein, dass mir progressiver Melodic Metal mit Frauengesang – abgesehen von sehr rar gesäten Einzelfällen – gewaltig auf den Keks geht. Eine äußerst wohlgefällige Ausnahme, die wieder mal die Regel bestätigt, bilden da STILL AWAKE. Das Münchner Quartett um die stimmgewaltige Frontfrau Timea Göghova, hat musikalisch irgendwo zwischen EDENBRIDGE, METALLICA und IRON MAIDEN – garniert mit so einigen Überraschungsmomenten und genreübergreifenden Stilspielereien – seine ganz eigene Nische gefunden.

Der erste positive Aspekt beruht auf der Tatsache, dass sich Timea Göghova mit ihrem sehr facettenreichen Organ von der gemeinhin bekannten Trällerelsen-Fraktion nachdrücklich abhebt. Dies dürfte dem aufmerksamen Zuhörer gleich beim Opener „Ecstasy“, der in melodischen Parts gelegentlich an EDENBRIDGE erinnert, aber mit überraschenden und aggressiven Scream-Parts eine ganz eigene Atmosphäre aufbaut. Nicht weniger spannend gestaltet sich das vehement stampfende „Remembrances“, denn während sie im ersten Augenblick mit melodischen Gesang-Harmonien zu betören vermag, shoutet sie sich mit dem nächsten Atemzug nahezu die Lunge aus dem Leib. Mit dem wunderschönen Titeltrack offenbart sich einer der durchgängig melodischsten Songs auf „Our Sin“. Nahezu ohne nennenswerte Schnörkel oder überraschende Breaks schlängelt sich diese Nummer geschmeidig durch die Gehörgänge. Mit „Still Not Awake“ folgt dann einer meiner persönlichen Favoriten auf dieser Scheibe. Eine Powerballade – im Mittelteil garniert mit einem zackigen Thrash-Part – die fast einer Zusammenarbeit mit METALLICA und IRON MAIDEN entsprungen sein könnte. Noch ein Tacken balladesker, aber deutlich schwermütiger zeigen sich STILL AWAKE mit „Battlefield“, bei dessen Solo- und Leadgitarren ein Hauch von „Hotel California“ (THE EAGLES) mitzuschweben scheint. Mit Beginn des anschließenden „The Mask“ lässt der Vierer dann noch mal den Knüppel so richtig aus dem Sack, bevor man im Mittelteil und gegen Ende – lediglich von Metal Core-lastigen Shout-Passagen ‚unterbrochen‘ – wieder harmonischere Klänge anschlägt. Des Weiteren drängen sich das lässig wabernde „Say What You Want“, in dem mich Timea Göghova von der Dramatik her an Bini Eichinger (GALLERY OF ME/ ex-EXTRIG) erinnert, und die Abschlussnummer „Story Of Two“ als Anspieltipps auf. In letzterer, die kontrastreich mit äußert coolem männlichen Sprechgesang dekoriert ist, dringt die Sängerin sogar in Sphären einer KATE BUSH vor.

Fazit: Man muss es fast schon als faszinierend bezeichnen, was STILL AWAKE auf ihrem Debütalbum abliefern. Die Gitarristen Albert Mathe und Matthieu Kuntz, Benjamin Schmithüsen (Bass) und Schlagzeuger Florian Schmithüsen sind nicht nur allesamt Meister ihres Faches, sondern greifen auch perfekt wie ein Rad in das andere, und bilden somit den perfekten Nährboden für den facettenreichen Gesang von Timea Göghova. Auch produktionstechnisch wurde auf „Our Sin“ geklotzt und nicht gekleckert, denn für die Aufnahmen sind sie eigens nach Göteborg zu Produzent Jakob Hermann (u.v.a. ANTHRAX/ EUROPE/ HEAD MACHINE) in die Top Floor Studios geflogen, wo die Scheibe letztendlich auch gemixt und gemastert wurde.


Bewertung: 5 Chicks = Rockt gewaltig, Anwärter zu den Top Alben des Jahres!