
Lauschangriff – KW 50/22
LUSTFINGER – LustfingeR
(Rotz & Wasser/ BSC Music, VÖ 29.07.2022)
Es ist mal wieder allerhöchste Zeit für eine gehörige Portion rotzigem Punk und energiegeladenem Deutschrock bei ‚Easy Monday‘. Noch bevor sich irgendwann gegen Ende der 80er/ Anfang der 90er DIE TOTEN HOSEN oder DIE ÄRZTE mit einem ihrer hochgelobten Alben einen Platz in meiner Plattensammlung ergattern konnten, haben mich längst LUSTFINGER mit ihrer ungestümen und ungebremst revolutionären Auslegung von deutschsprachigem Punk komplett in ihren Bann gezogen. An meiner Begeisterung für die Musik der Münchner Punk-Legende hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert.
Wenn man sich die 13 Songs auf ihrem neuen selbstbetitelten Album so anhört, mag man gar nicht glauben, dass die Band mittlerweile gut über 40 Jahre ihr ‚Unwesen‘ in der Szene treibt. Gut, von der Gründungsbesetzung hält einzig und allein nur noch Bandleader/ Sänger Tom Fock (damals Gitarrist) die Fahne hoch, aber das stets mit ungebrochener Leidenschaft. Gleich zu Beginn tritt das Quartett mit „Auf los geht’s los“ das Gaspedal vehement bis auf Anschlag durch, um anschließend mit dem unverblümt-sozialkritischen „Lügengarantie“ gehörig Dampf abzulassen. Während eine Abgeh-Nummer wie „Benzin“ pausenlos pures Adrenalin durch die Adern pumpt, zeigen sich LUSTFINGER mit der wunderschönen Ballade „Durchs Feuer gehen“ von einer – fast schon ungewohnt – äußerst gefühlvollen Seite. Gewürzt mit einer Prise Pop schallt dann die Party-Hymne „Steh auf und tanz“ aus den Boxen. Auf der anderen Seite zeugt eine Nummer „Alles ist besser“ davon, dass die spitzfindige Bissigkeit der frühen Tage immer noch in Tom Fock ordentlich lodert. So wechseln sich steile Abgehnummern („Jeder Tag“), rotzige Protestsongs („Stürmische See“) und selbsthinterfragende Momente („Wir waren Träumer“/ „Es war ‘ne geile Zeit) wohldosiert ab und machen „LustfingeR“ zu einer richtig geilen Scheibe. Außerdem wartet das Album noch mit ein paar besonderen Schmankerln auf: Das wären zum einen die beiden Songs „My Brain Is Hangin‘ (Bonzo Goes To Bitburg)“ (THE RAMONES) und der englischsprachigen Version von „Durchs Feuer gehen („Into The Fire)“, die kein anderer als JEAN BEAUVIOR mit seinem unvergleichlichen Organ veredelt hat, sowie zum anderen der abschließende Party-Kracher „Hasta La Vista“, für den sich die Band doch tatsächlich nochmals in Urbesetzung zusammengetan hat.
Kurzum: Die Band um Urgestein Tom Fock mag zwar über die Jahrzehnte und die diversen Besetzungswechsel etwas Altersmilde geworden sein, aber sie können immer noch mit gehörig viel Biss gegen den Strom schwimmen und haben mit der aktuellen Scheibe ihr wohl bis dato bestes Album veröffentlicht. Also, vergesst DIE TOTEN HOSEN und schickt DIE ÄRZTE gleich hinterher… LUSTFINGER waren schon in den 80ern die wahren Helden des deutschen Punkrocks und sind es immer noch! Oder wieder!?! 😉
Bewertung: 5,5 Chicks = nur denkbar knapp an der Höchstnote vorbei, wir knien vor Ehrfurcht nieder!!!